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February 18, 2020
BILBoard Februar 2020: Epidemie überschattet Berichtssaison und Daten zum Wirtschaftsklima
Es war von einer Stabilisierung der Weltwirtschaft die Rede. Der Handelsstreit zwischen den USA und China sorgte nicht mehr für Unsicherheit an den Märkten. Alle hatten sich auf eine ruhige Berichtssaison eingestellt. Doch die drei Wochen seit der letzten Sitzung unseres Ausschusses für Vermögensaufteilung waren eine nervenaufreibende Zeit für die Anleger, denn das Coronavirus überschattete all diese positiven Faktoren. Jetzt liegen die Bullen und die Bären wieder im Streit miteinander, und die Anleger fragen sich, ob sie alles beim Alten belassen oder ihre Investments neu ausrichten sollen.
Die gesamtwirtschaftliche Lage
An den ersten Geschäftstagen des
Monats werden eine Reihe von Daten zum Wirtschaftsklima veröffentlicht, unter
anderem Umfragewerte zur Einschätzung der grundsätzlichen Stimmung in der
Geschäftswelt. Die Umfragen von Anfang Februar, die durchgeführt worden waren,
bevor das Coronavirus auf der Bildfläche erschien, zeichneten ein positives
Bild von der globalen Wirtschaftsentwicklung: Der US-amerikanische
Einkaufsmanagerindex des ISM für das verarbeitende Gewerbe erreichte solide
50,8 Punkte. China hielt sich mit 51,1 Zählern auf dem
Caixin-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe im Wachstumsbereich,
während sich der entsprechende Index für die Eurozone langsam auf einen Wert
von 50 zubewegt (im Dezember hatte er bei 46,3 und im Januar bei 47,9 gelegen).
Deutschland, der „kranke Mann“ im weltweiten Fertigungssektor, verzeichnete
einen Anstieg seiner Kennzahlen auf 45,3 (gegenüber 43,7 im Dezember), denn die
Unternehmen sehen bessere Chancen, internationale Umsätze zu erzielen, und
haben somit höhere Erwartungen an das kommende Jahr.
Jetzt wird die leichte Erholung des
weltweiten Wirtschaftswachstums allerdings durch die unmittelbar vom
Coronavirus verursachten Abwärtsrisiken überschattet.
In dem Versuch, die Ausbreitung des
Virus zu verhindern, hat China rund 40 Millionen Menschen vorbeugend unter
Quarantäne gestellt. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich die
großräumigen Fabrikschließungen und die Beeinträchtigung des Reiseverkehrs
kurzfristig negativ in den Wirtschaftskennzahlen des Landes niederschlagen
werden. Gleiches dürfte auch für die Gruppe der Schwellenländer gelten, die auf
China als Wachstumsmotor angewiesen sind.
Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich
die Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Umfeld kaum vorhersagen, zumal
die Anzahl der Neuansteckungen noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat. Es gibt
nicht viele vergleichbare Vorfälle, an denen wir uns orientieren können –
der Ausbruch von SARS im Jahr 2003 verlief zwar ähnlich, aber das Umfeld war
ein ganz anderes als heute. In den 20 Jahren, die seitdem vergangen sind,
hat sich eine Menge getan: Die Medizintechnik ist inzwischen zehnmal so gut und
China spielt heute eine wesentlich wichtigere Rolle in der Weltwirtschaft, da
das Land fester Bestandteil globaler Lieferketten ist.
Auch die Kommunikation hat sich
weiterentwickelt. Statt einfacher Textnachrichten stehen uns heute rund um die
Uhr elektronische Medien zur Verfügung. Märkte werden von Ängsten gesteuert,
und die Angst hat heute ihre eigene weltumspannende Autobahn: die sozialen
Medien. Gleichzeitig könnte es sein, dass die Wirtschaftsklimadaten gar nicht
so stark beeinträchtigt werden, da die Kunden dem Konsum nachgehen können, ohne
das Haus zu verlassen. Nahezu alles ist im Internet verfügbar. Wenn zum
Beispiel Casinos in Macau geschlossen werden, dann beschert das philippinischen
Glücksspiel-Websites Spitzenumsätze.
Kurzum: Wir warten lieber ab, als über die
gesamtwirtschaftlichen Folgen der Krankheit zu spekulieren.
Aktien
Die Märkte müssen die gesamten
wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus erst noch einpreisen, daher reagieren
Aktien empfindlich auf weitere negative Schlagzeilen. Verschärfend kommt hinzu,
dass der Ausbruch mitten in einen Minizyklus mit erhöhten Bewertungen fiel, der
leicht aus dem Gleichgewicht geraten könnte. Da die Gewinnschätzungen kräftig
korrigiert worden waren, enttäuschte die Berichtssaison nicht, verlief aber
auch nicht gerade überwältigend. Bei Drucklegung hatten 45 % der
Unternehmen aus dem S&P 500 ihre Zahlen vorgelegt, und 69 % von
diesen konnten mit einer positiven Überraschung aufwarten. Die Zahlen lagen
jedoch nur knapp über den Erwartungen (1 %) und unter dem historischen
Durchschnitt.
Unserer Meinung nach wird hierdurch
nicht das Ende der Hausse eingeläutet. Auf die ewige Frage: „Sollte man den
Kursrückgang zum Einstieg oder zur Erhöhung seines Engagements nutzen?“
antworten wir derzeit jedoch: „Lieber erst einmal abwarten.“ Wenn wir an SARS,
EBOLA und ähnliche derartige Epidemien zurückdenken, dann erholten sich die
Märkte, als die Neuansteckungen ihren Höhepunkt erreichten. Coronaviren sind
jedoch komplex; sie mutieren bei der Vermehrung und daher ist es unmöglich
vorherzusagen, wann das Virus unter Kontrolle gebracht werden wird. Wir
stocken unsere Positionen zwar nicht auf, reduzieren sie aber auch nicht, denn
als der Ausbruch von SARS im Jahr 2003 seinen Höhepunkt erreicht hatte,
konnte der Markt bereits auf eine Erholung um 23 % zurückblicken. Die
Todesfälle infolge des Coronavirus sind zwar tragisch, doch die
Sterblichkeitsrate ist zumindest bislang relativ gering.
Obschon kein Sektor völlig immun
gegen das Virus ist, wurden der Energie- und der Grundstoffsektor (die stark
vom weltweiten Wachstum abhängig sind) sowie Nicht-Basiskonsumgüter (vor allem
Luxusgüter und die Tourismusbranche) am stärksten in Mitleidenschaft gezogen.
Chinesische Verbraucher sind für den Luxussektor von entscheidender
Bedeutung – laut Bain & Co wuchs der Luxusmarkt 2018 um
5 % auf 1,3 Bio. Euro an, und 90 % dieses Wachstums waren
chinesischen Verbrauchern zu verdanken. Wir bleiben sektorneutral, und wir
favorisieren Wachstums- und Qualitätswerte.
Festverzinsliche Anlagen
Anleger haben mit dem typischen
pawlowschen Reflex bei Krisenszenarien reagiert: Sie sind hastig auf sichere
Vermögenswerte umgestiegen und erwarten von den Zentralbanken, gesamtwirtschaftliche
Einbrüche auszugleichen.
Bei Staatsanleihen besteht das
Risiko, dass die Anleger zu pessimistisch gestimmt sind – der Markt preist
für dieses Jahr inzwischen zwei Zinssenkungen der Fed ein, während diese ihre
Politik als angemessen betrachtet. Das könnte einen Kursverfall auslösen, falls
sich das Coronavirus nicht so stark wie erwartet auf das Wachstum auswirkt. Bei
den Staatsanleihen in unserem Portfolio, mit denen wir das Aktienrisiko
ausgleichen, investieren wir daher am liebsten im mittleren Teil der Kurve, sodass die Duration unter der
des Referenzindex bleibt.
Wir halten an unserer Übergewichtung von Investment-Grade-Anleihen fest, vor allem in Europa, wo die EZB eine überdimensionale Rolle bei der Stützung des Marktes spielt. Bislang hatte die Risikoscheu noch keinen Einfluss auf die europäischen Spreads. Die Spreads im High-Yield-Segment haben sich im Gegensatz dazu ausgeweitet, allerdings nicht hinreichend, um uns zum Aufstocken unserer Allokation zu bewegen. In den Schwellenländern haben wir einige wenige Hartwährungsanleihen, die sich dank der niedrigeren US-Zinsen recht gut entwickeln. Wir bleiben dem Hartwährungssegment fürs Erste treu, denn Schwellenländerwährungen reagieren empfindlich auf Schlagzeilen, die Hoffnungen auf eine Belebung der Inflation zunichtemachen und Kapitalabflüsse in den US-Dollar als sichere Währung begünstigen. Insgesamt haben die Aktienmärkte unserer Einschätzung nach noch einen ausreichend langen Atem, sodass sich die Hausse 2020 fortsetzen kann. In Bezug auf die Risikobereitschaft nehmen wir derzeit eine neutrale Haltung ein – insbesondere solange noch unbekannt ist, welchen Einfluss das Coronavirus haben wird. Selbst wenn man die Epidemie außer Acht lässt, besteht weiterhin die gleiche Diskrepanz zwischen den hohen Kursen von Vermögenswerten und der Wirtschaftslage, auf die wir bereits im letzten Monat hingewiesen haben, d. h. es ist durchaus mit einer – wie auch immer gearteten – Korrektur zu rechnen. Tröstlich ist, dass das Coronavirus den Zentralbanken einen weiteren Grund bietet, an ihrer lockeren Geldpolitik festzuhalten, was dazu führen dürfte, dass uns die perfekten Marktbedingungen noch ein wenig länger erhalten bleiben.
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