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July 17, 2020
BILBoard Juli 2020 – Stabilisierung
Bislang konnte
durch ein Sammelsurium politischer Maßnahmen im Umfang von einer Billion
US-Dollar weltweit die Nachfragelücke wirksam überbrückt, das Schreckgespenst
der Deflation gebannt und Unternehmen aller Größenordnungen dabei geholfen
werden, sich während der Pandemie über Wasser zu halten. Nun, da die
Volkswirtschaften wieder hochgefahren werden und sich die Mobilität langsam
normalisiert, ist aus den Daten eine Stabilisierung ersichtlich. Wie bereits in
China nimmt auch die Wirtschaftstätigkeit in der westlichen Welt wieder an
Fahrt auf, wenngleich sich der Fertigungssektor hierbei träger zeigt als die
Dienstleistungsbranchen. Wenn eine Kennzahl im Mittelpunkt dieser Krise stand,
an die man sich noch Jahre später erinnern wird, dann ist das der sprunghafte
Anstieg der Anträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA, wo über
40 Millionen Amerikaner von einem Tag auf den anderen ihren Arbeitsplatz
verloren. Aktuell sehen die Arbeitsmarktdaten unerwartet gut aus, und nachdem
die Arbeitslosenquote im April bei 14,7 % ihren Höchststand erreicht
hatte, sank sie im Juni weiter bis auf 11,1 %. Im Euroraum konnte durch
Kurzarbeitsprogramme dafür gesorgt werden, dass die Arbeitslosenquote relativ nahe
an dem im März erreichten Rekordtief von 7,1 % blieb (die neuesten Daten
zum Zeitpunkt der Drucklegung stammten aus dem Mai und lagen bei 7,4 %).
Die Beschäftigung ist ein ganz wesentlicher Faktor. Vor der Krise waren
Verbraucher der wichtigste Motor der Weltwirtschaft, und daher ist es
entscheidend, dass ihre Kaufkraft beziehungsweise ihre Konsumbereitschaft
erhalten bleibt, wenn eine Erholung greifen soll. Die gute Nachricht ist, dass
das Verbrauchervertrauen nicht verflogen ist. In den USA beispielsweise
verzeichnete der Conference Board Consumer Confidence Index im Juni seinen
größten Anstieg seit 2011 (natürlich ausgehend von sehr niedrigen
Ausgangswerten). Mit Blick auf die kurzfristigen Aussichten sind die
Verbraucher weniger pessimistisch eingestellt. Sie bleiben jedoch pragmatisch,
und rechnen nicht mit einer enormen Konjunkturbelebung. Natürlich könnte all
dies durch eine zweite COVID-19-Welle zunichte gemacht werden, doch vorerst
scheinen sich die Ausbrüche auf überschaubare Gruppen und Bereiche zu
beschränken.
Trotz
vielversprechender Kennzahlen ist das Anlageumfeld nach wie vor von
Unsicherheit geprägt. Die Pandemie (die aus medizinischer Sicht noch nicht
überwunden ist) hat das Anlegervertrauen erschüttert, erschwert die Erzielung
von Erträgen und stellt die langfristige Tragfähigkeit wichtiger globaler
Sektoren und Branchen in Frage.
Gleichzeitig
müssen Anleger aufgrund der niedrigeren Renditen höhere Risiken eingehen, um
Erträge zu erwirtschaften. Seit dem Tiefpunkt im März findet an den Aktienmärkten
eine unaufhörliche Kursrally statt. Anfangs wurde sie durch Liquiditätsspritzen
der Zentralbanken gefördert und anschließend durch wachstumsstarke Unternehmen
gestützt, die unter Beweis stellten, dass sie während der Ausgangssperren und
-beschränkungen Gewinne erwirtschaften können. Inzwischen lässt sich ein
Großteil der Dynamik und der Zuversicht in Bezug auf die kommenden Monate mit
Belegen dafür begründen, dass die Weltwirtschaft nun wieder Tritt fasst.
Aufgrund dessen sind die globalen Aktienmärkte (am KGV gemessen) so hoch
bewertet wie seit der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende nicht mehr.
AKTIEN
Unser Engagement
am Aktienmarkt bleibt weiterhin neutral. Wir konzentrieren uns auf
Qualitätswerte und Wachstumsunternehmen, die sich unserer Ansicht nach
langfristig am Markt halten werden. Kurzfristig könnten tatsächlich
Substanzwerte, zyklische Aktien und Small-Caps (deren relative Bewertungen
besser aussehen) an Dynamik gewinnen, vor allem, wenn die weltweiten
Lockerungsmaßnahmen wie geplant vonstatten gehen. Hier gilt jedoch das Prinzip
„Caveat emptor“ – „Käufer, sei wachsam“: Wenn Substanzwerte aus der Mode
kommen, dann geschieht das abrupt und heftig. Angesichts weiterhin niedriger
Zinsen werden Dividenden an Bedeutung gewinnen.
Unternehmen, die
Wert auf Umweltschutz, soziale Faktoren und eine gute Unternehmensführung
(ESG-Faktoren) legen, haben eine Überperformance erzielt, und wir gehen davon
aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, da durch die Pandemie
Nachhaltigkeit in den Vordergrund rückt. Christine Lagarde hat bereits
vorgeschlagen, dass die EZB ihr Anleihekaufprogramm zur Umsetzung ökologischer
Ziele nutzen könnte, indem sie sogenannte „Brown Bonds“, d. h. von
Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen begebene Anleihen, zugunsten
solcher aus umweltfreundlicheren Branchen veräußert. ESG-Unternehmen sind
häufig qualitativ hochwertiger, und wir konzentrieren uns besonders auf
diejenigen, die einer kritischen Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden
standhalten.
Aufgrund der Pandemie hat auch die Digitalisierung der Wirtschaft schneller
als erwartet Einzug gehalten. Gemäß Gartner und IDC wuchs der Markt für
Arbeitsplatzcomputer im letzten Quartal um 3 % gegenüber dem gleichen
Zeitraum des Vorjahres. Weltweit wurden mehr als 64 Millionen PCs versendet,
als die Vertriebs- und Einzelhändler ihre Lagerbestände wieder auffüllten. Die
Verkaufszahlen mobiler Computer haben kräftig zugelegt, da sich ein Großteil
der Arbeit und des Lernens in den Online-Bereich verlagert hat. Unternehmen
müssen sich neu erfinden, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, und sie dürfen
dabei keine Zeit verlieren. Bestimmte Branchen werden unserer Meinung nach
künftig bedeutende langfristige Änderungen erleben, manche zum Besseren und
manche zum Schlechteren (beispielsweise könnten durch bahnbrechende
Entwicklungen und die „Sharing Economy“ manche Geschäftsmodelle veralten), und
dies wird großen Einfluss auf das Anlageverhalten haben. Wir setzen auf
Unternehmen, die langfristig gesehen von der zunehmenden Konsumverlagerung in den
Digital- und Online-Bereich profitieren könnten. Das führt natürlich zu einer
Übergewichtung von US-Titeln in den Portfolios, denn die meisten Vorreiter der
vierten industriellen Revolution konzentrieren sich in den USA, während die
europäische Wirtschaft im Allgemeinen noch traditioneller aufgestellt ist.
Banken haben nun
einen beschwerlichen Weg vor sich. Sie haben anfällig wirkende Vermögenswerte
wie Autos, Flugzeuge und Schiffe finanziert, und das von extrem niedrigen
Zinsen geprägte Umfeld ist Gift für ihre Geschäftsmodelle. Bestimmte Segmente
der allgemeineren Kategorie „Finanzwerte“, wie Versicherungsgesellschaften und
Finanzdatenanbieter, die eine Digitalisierung anstreben, sollten unterdessen
nicht ignoriert werden.
FESTVERZINSLICHE ANLAGEN
Frühere
Erholungsphasen waren von einem anfänglich schnellen Anstieg der langfristigen
Zinssätze in Erwartung von Wachstum und Inflation gekennzeichnet. Doch diesmal
verharren die Zinsen offenbar auf historischen Tiefständen: Die Fed scheint die
Absicht zu haben, die Zinsen auf absehbare Zeit nahe null zu belassen (wir
rechnen nicht mit einer Absenkung in den negativen Bereich), während die EZB
den Zinssatz unter null eingefroren hat. Staatsanleihen leisten zwar keinen
Renditebeitrag (selbst die Spreads in den Peripherieländern haben sich
verengt), bieten jedoch eine wirksame Diversifizierung gegenüber dem
Aktienrisiko und bleiben deshalb fester Bestandteil unserer Portfolios.
Jedes Streben
nach höheren Erträgen geht in der aktuellen Situation mit einem erhöhten
Portfoliorisiko einher. Eine Diversifizierung der Risikoquellen, sei es in
Bezug auf das Liquiditäts-, Kredit- oder Zinsrisiko, ist unerlässlich. Im
Investment-Grade-Segment besteht noch Spielraum für eine Spread-Verengung, und
wir verfügen über ein Engagement in dieser Anlageklasse, das sich aus
hochwertigen Unternehmen mit hohen freien Cashflows und robusten Bilanzen
zusammensetzt. Für Anleger ist es heute wichtiger denn je, Anleihen vor dem
Kauf einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Viele Unternehmen befinden sich
seit Jahren in einer Grauzone: Obgleich die Last ihrer eigenen Schulden ihnen
die Luft zum Atmen nimmt, wurden sie durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen
am Leben erhalten – zumindest bis jetzt. In einigen Marktsegmenten, unter
anderem bei US-Hochzinsanleihen, die weniger direkte Unterstützung von der Fed
bekommen, ist bereits ein Anstieg der Ausfälle zu verzeichnen (ein Zuwachs von
6 % innerhalb des vergangenen Monats).
NACHWORT
Wir haben zwar noch etwas trockenes Pulver, das wir für opportunistische Zukäufe nutzen könnten, aber Anleger sollten möglichst vollständig investiert sein. Natürlich ist man versucht zu warten, bis mehr Klarheit herrscht (aus epidemiologischer und aus wirtschaftlicher Sicht), doch das könnte bei der Verfolgung langfristiger Ziele hinderlich werden. Unserer Ansicht nach sind Anleger daher besser beraten, ihre Portfolios allmählich neu zu gewichten, um eine diversifizierte Vermögensverteilung mit einem umsichtigen Risikoansatz zu erreichen. Nach der jüngsten Rally am Aktienmarkt könnte das bedeuten, einige Gewinne zu realisieren und das Geld anschließend neu anzulegen – vielleicht in Unternehmen, die von dem beschriebenen langfristigen Strukturwandel zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung profitieren.
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